Soja lässt Männern Brüste wachsen und zerstört den Regenwald – kommen dir diese Aussagen bekannt vor? Auf der Suche nach Antworten nehmen wir hier fünf klassische Mythen unter die Lupe – am Ende des Beitrags weißt du, ob die Bohne wirklich so schlecht ist wie ihr Ruf.
Inhaltsverzeichnis
Soja ist ungesund – vor allem für Männer
Isst ein Mann viel Soja, wachsen sie irgendwann – die sagenumwobenen „Man-Boobs“. Schließlich enthält die Hülsenfrucht pflanzliche Inhaltsstoffe, welche dem menschlichen Östrogen ähneln und deswegen auch „Phytoöstrogen“ genannt werden.
Das stimmt zwar – solche Substanzen kommen in Sojabohnen vor – allerdings gibt es bisher keine wissenschaftlich relevanten Studien zu männlichem Brustwachstum, einer verschlechterten Spermienqualität oder anderen Beschwerden, wie sie in manch drastischen Artikeln auftauchen.
Denn: Phytoöstrogen und Östrogen mögen sich strukturell ähneln, sie sind jedoch nicht identisch – und werden deswegen deutlich schwächer an die Rezeptoren gebunden. Bevor sie hier landen können, müssen außerdem ihre Zuckermoleküle verschwinden.
Letztendlich gelangt also weitaus weniger Phytoöstrogen in deinen Hormonhaushalt, als du vielleicht denkst. Und: Es wirkt wesentlich schwächer als menschliches Östrogen.
Ungesund wird es gegebenenfalls, wenn du a) Soja zur Grundlage deines Speiseplans erkorst oder b) Präparate mit isolierten und hoch dosierten Isoflavonen einnimmst.
Soja zerstört den Regenwald
Heuchler: Vegetarier und Veganer, die sich eine Tofuwurst in die Pfanne legen! Schließlich sterben in Südamerika tausende Bäume für die Sojaproduktion – und unzählige Tiere, die mit jedem gerodeten Meter Regenwald weiteren Lebensraum verlieren. Oder?
Nein. Es ist zwar korrekt, dass der massive Sojaanbau in Brasilien, Argentinien oder den USA unsere Umwelt enorm belastet: Einst üppige Wälder müssen weichen (inklusive der Ureinwohner!), um den fruchtbaren Boden mit Soja-Monokulturen zu zerstören. Was hier heranwächst, landet jedoch nicht auf unseren Tellern – sondern in den Futtertrögen von Kühen und Schweinen.
Immerhin lässt es sich billig anbauen, die Pflanze ist resistent und bietet viel Eiweiß. Wurden im Jahr 2009 rund 250 Millionen Tonnen Soja geerntet, soll diese unglaubliche Masse bis 2030 auf 330 Millionen Tonnen wachsen. Es sind also nicht Vegetarier und Veganer, deren Ernährungsvorlieben auf Kosten des Regenwaldes und/oder der Bodengesundheit gehen. 70 bis 75 % des weltweiten Sojas endet in der Tierhaltung. Weitere 20 bis 25 % verwertet die Industrie, zum Beispiel für Biodiesel, Farben oder Backwaren. Nur ca. 2 % werden in Sojadrinks, Tempeh und Co verwandelt.
Allein diese Verteilung zeigt: Dass Tofufreunde der Umwelt schaden sollen, lässt sich kaum halten! Auch, weil Sojabohnen für den direkten Verzehr häufig in der EU (zum Beispiel in Österreich oder der Schweiz) gedeihen. Möchtest du sichergehen, wirf einen Blick auf die Verpackung – viele Hersteller geben an, woher die Bohnen stammen.
Soja ist genmanipuliert
Wieder ein Mythos, in dem nur halbe Wahrheiten mitschwingen. Tatsächlich wächst – gerade in den USA – vor allem gentechnisch veränderter Soja. Durch Experimente an ihrem Erbgut sollen ertragreiche oder resistente Pflanzen entstehen, denen Schädlinge nichts anhaben können.
Weil der Wind die Pollen dieser veränderten Pflanzen weiterträgt und verwandte Wildarten befruchtet, möchten Umweltorganisationen (wie der WWF) den Anbau erst dann erlauben, wenn nachweislich keine Schäden für Mensch und Natur zu erwarten sind.
Die gute Nachricht: Wer gerne Tofu isst, den betrifft das gar nicht. In Europa sind gentechnisch manipulierte Sojabohnen für den direkten Konsum verboten – Schlachttieren dürfen sie jedoch verfüttert werden.
Letztendlich kann Gen-Soja auf diese Weise in deinen Körper landen. Es sei denn, du bevorzugst Bio-Fleisch: Zwar erreichen viele Betriebe das Ziel der Eigenversorgung nicht, für den zusätzlichen Bedarf ist allerdings Bio-Futter vorgeschrieben.
Soja hemmt Krebs
Im Vergleich zu weißen Amerikanerinnen haben Asiatinnen ein drei- bis fünffach geringeres Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Zufall – oder Resultat der traditionell sojareichen Ernährung? Und wenn die Bohnen wirklich vor Tumoren schützen, warum legen manche Ärzte ihren Brustkrebspatientinnen nahe, lieber auf Soja zu verzichten?
Kurz: In diesem Bereich ist mehr Forschung nötig. Der Krebsinformationsdienst kann kein erhöhtes Brustkrebs-Rückfallrisiko durch moderaten Sojakonsum feststellen. In Tierversuchen zeigten sich zwar sowohl krebsfördernde als auch krebshemmende Effekte, inwiefern sich diese auf den Menschen anwenden lassen, bleibt jedoch offen.
Dass sich die Brustkrebsraten so stark unterscheiden, hat gegebenenfalls mit der Verarbeitung der Sojabohnen zutun. Asiatinnen verzehren vor allem fermentierte Produkte wie Tempeh. Chemisch betrachtet treten die Isoflavone hier als Aglycoside auf; in prozessierten Lebensmitteln (Soja-Pillen, isoliertes Sojaprotein) hingegen als Glycoside.
Ebenfalls relevant: Asiatinnen trinken und rauchen weniger und sind meistens schlanker als die durchschnittliche Amerikanerin – dass sie seltener an Brustkrebs erkranken, kann also auch mit anderen Faktoren in Verbindung stehen.
Soja besitzt ein äußert wertvolles Protein
Stimmt – es gehört definitiv auf’s Siegertreppchen! Denn: Hier findest du zum einen besonders viel Protein und zum anderen alle essentiellen Aminosäuren in einem tollen Verhältnis. Heißt: Dein Körper kann es leicht in eigenes Eiweiß verwandeln – wichtig für den Aufbau von Muskelzellen, Hormonen, Botenstoffen und mehr.
Obendrauf gibt es eine ordentliche Portion Nährstoffe wie Eisen, Zink, Kalium, Phosphor, B-Vitamine, Magnesium oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren.
Fazit: In Maßen verzehrt alles kein Problem
Manche loben Soja in den Himmel, andere sagen der Bohne Krebs nach. Keines von beiden ließ sich bisher durch Studien belegen. Verzehrst du Tofu, Tempeh und Co in Maßen – so wie du es mit jedem Lebensmittel tun solltest – ist alles in Ordnung.
Die FDA hat 50 unabhängige Studien ausgewertet und ist zu folgendem Schluss gekommen: Für eine herzgesunde Diät dürfen es 25 Gramm Sojaprotein pro Tag sein – das entspricht ungefähr 300 Gramm Tofu oder 800 Milliliter Sojamilch. Selbst wenn der Fokus deines Speiseplans nicht auf Herzgesundheit liegt, macht es gewiss Sinn, sich an dieser Richtlinie zu orientieren.
Bildnachweis:
© pexels / Polina Tankelivitch