Wir lieben die Umwelt – und tun trotzdem Dinge, die ihr schaden. Warum ist das eigentlich so? Meistens steckt kognitive Dissonanz dahinter: Ein unterbewusster Vorgang, von dem sich niemand freisprechen kann. Aber: Überwinden können wir ihn! Wie das geht und was das überhaupt ist, verraten wir hier.
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Definition: Was ist kognitive Dissonanz?
Kennen wir alle: Das mulmige Gefühl, wenn du zur gleichen Zeit zwei Überzeugungen hast, die sich widersprechen.
Vielleicht rauchst du, obwohl dir deine Gesundheit sehr wichtig ist. Oder du findest Kinderarbeit und Ausbeutung schrecklich, kaufst aber trotzdem Fast Fashion. Was du hier empfindest – das ist kognitive Dissonanz.
In dir tobt ein Konflikt zwischen dem, was du weißt und denkst (deine Werte!) und dem, was du tust. Es kann auch um widersprüchliche Ziele, Einstellungen, Gefühle, Wünsche oder Absichten gehen. Kurz: zwischen unseren Ansprüchen und der Wirklichkeit klafft eine unangenehme Lücke.
Unangenehm, weil wir gerne glauben, uns immer richtig zu verhalten. Deswegen reden wir den Widerspruch klein, lenken uns ab – oder suchen Informationen, welche die kognitive Dissonanz rechtfertigen und lösen sollen. Du erkennst sie an einer bestimmten Satzkonstellation…
„Ja, aber–“
Ja, ich sollte eigentlich weniger Schokolade essen. Aber Studien zeigen, dass sie gut fürs Herz ist!
Ja, Sport ist gesund. Aber zweimal die Woche trainieren? Das bringt doch nichts!
Besonders gerne treten kognitive Dissonanzen auf, wenn wir bereits eine gefestigte Meinung haben, die von neuen Erkenntnissen oder Informationen „gefährdet“ wird. Wir missachten die Neuigkeiten und schätzen, was uns in die Karten spielt.
Auch, wenn wir eine schlechte Entscheidung getroffen haben und sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass eine Alternative uns viel besser zum Ziel verholfen hätte, neigen wir zur kognitiven Dissonanz – sich gerade bei schwerwiegenden Auswirkungen eigene Fehler einzugestehen, kann schmerzen.
Kognitive Dissonanzen bewahren also unsere Selbstachtung. Und: Wenn es uns gelingt, sie zu überwinden – wir zum Beispiel endlich mehr Sport machen – ja, dann tun sie auch der Gesundheit gut.
Zusammengefasst: Kognitive Dissonanz findet immer dann statt, wenn wir widersprüchliche Standpunkte haben. Sie bringen ein unangenehmes Gefühl mit sich, das wir aufbrechen wollen – indem wir uns selbst belügen, bis sich Balken und unsere Ansichten in Einklang biegen.
Was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun?
Kaum ein anderer Bereich bietet so viel Platz für kognitive Dissonanzen wie Klima- und Umweltschutz. Wer würde schon sagen, dass unser Planet nicht schützenswerte wäre oder dass es gut sei, die Temperaturen anzuheizen? Wahrscheinlich niemand. Zumindest nicht, wenn wir in uns gehen und wirklich ehrlich sind.
Trotzdem fliegen wir gerne in den Urlaub, essen zu viel Fleisch oder wollen unser Auto um keinen Preis hergeben. Warum auch – vielleicht spendest du für den Regenwald oder gleichst deine Flugmeilen bei Atmosfair aus. Wie schlimm kann das dann noch sein? Und ist nicht eh alles zu spät? Außerdem müssen erstmal die großen CO2-Emittenten etwas verändern; China, USA…
Vor allem, wenn Menschen in entscheidenden Positionen (etwa Poliitker*innen oder Geschäfsführer*innen) kognitiver Dissonanz unterliegen, kann das für unser Klima ernsthafte Folgen haben.
Ein Beispiel wäre Christian Lindner, der steigende Temperaturen und andere Ökoprobleme über technischen Fortschritt bewältigen will – obwohl Wissenschafler*innen überzeugt sind, dass solche Lösungen in den Kinderschuhen stecken und viel zu spät kämen.
Kognitive Dissonanz aufbrechen – so gehts!
Kognitive Dissonanz schmerzt – wir wollen sie nicht ertragen. Die gute Nachricht: Es gibt Möglichkeiten, den Widerspruch und das damit verbundene negative Gefühl aufzulösen:
- selektive Wahrnehmung: Ignoriere oder leugne Daten und Fakten, die nicht in deine Anschauung passen.
- selektive Beschaffenheit: Kreieren eine Filterblase – indem du nur bestimmte Medien konsumierst und andere außen vor lässt, kriegst du von widersprüchlichen Informationen nichts mit.
- Schuldzuweisungen: Rechtfertige deine Handlungen und Entscheidungen nach dem Motto „Ich hatte keine Wahl“ mit äußeren Zuständen.
- fadenscheinige Rechtfertigungen: Verdrehe Fakten, bis sie wieder mit deiner Wahrnehmung zusammenpassen. Und damit du irgendwann selbst überzeugt sind, schrei sie in die Welt!
Das sind jedenfalls gängige Strategien, mit denen wir unsere kognitiven Dissonanzen aufzubrechen versuchen. Klingt irgendwie… seltsam? Schon ein bisschen. Zum Glück gibt es auch eine andere Methode. Doch sei gewarnt, sie kostet Kraft: Prüfe deine Überzeugungen – und ändere dein Verhalten.
Seine Überzeugungen und Meinungen anzupassen, ist kein Zeichen von Schwäche. Ganz im Gegenteil. Wenn du neue Informationen erhältst, die das, was du denkst, auf den Kopf stellen, und du zugeben kannst, unrecht zu haben – beweist du wahre Stärke.
Heißt: Lasse Fakten, die deinen Ansichten widersprechen, zu. Prüfe sie auf ihren Wahrheitsgehalt – und dann sei offen für Veränderungen. Zugegeben, diese Methode ist nicht einfach. Vor allem, wenn deine Einstellungen sehr festgefahren sind. Hier hilft es, dich zu reflektieren.
Warum handelst und denkst du, wie du es tust? Was steckt dahinter? Je näher du diesem verborgenen Kern kommst, desto einfach wird es dir fallen, deine kognitiven Dissonanzen zu lösen und dich selbst kritisch zu beäugen und zu hinterfragen.
Der nächste Schritt wäre eine Verhaltensänderung. Lässt du die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu, dass Sport wichtig ist und auch zwei Trainings die Woche deiner Gesundheit gut tun – dann wird es Zeit, die Sneaker zu schnüren. Nicht immer und in allen Bereichen gelingt uns eine solche Verhaltensanpassung.
Bist du dazu nicht bereit, gibt es trotzdem eine Möglichkeit, die kognitive Dissonanz ohne Selbstbetrug aufzulösen. Ergänze deine bestehenden Überzeugungen. Beispiel: „Untersuchungen zeigen, dass zwei Trainingseinheiten gute Ergebnisse erzielen. Ich glaube diesen Erkenntnissen zwar – habe aber trotzdem keine Lust.“
Du hast deine Ansichten reflektiert und geprüft. Es mag noch immer ein Widersprich zwischen deinem Wissen und deinem Handeln existieren. Aber: Du verschließt deine Augen nicht länger oder suchst Ausreden – auch so glätten sich die Wogen und das negative Gefühl verblasst.
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